Hier findest Du sozusagen Philosophisches, Theologisches, Literarisches und so

"Gleichgültig, ob sie sich auf neue wissenschaftliche Forschungen stützt oder nicht - die Technik ist eine Unterabteilung der Moralphilosophie und nicht der Wissenschaft." Paul Goodman

In jedem Werkzeug steckt eine ideologische Tendenz, eine Neigung, die Welt so und nicht anders zu konstruieren ... "Wer einen Hammer hat, sieht überall Nägel." ... Wer einen Bleistft hat, sieht überall listen. Wer eine Kamera hat, sieht überall Bilder. Wer einen Compouter hat, sieht überall Daten."

Neil Postman, Das Technopol

 

 

Alle Tage

Ingeborg Bachmann

 

Der Krieg wird nicht mehr erklärt,
sondern fortgesetzt. Das Unerhörte
ist alltäglich geworden. Der Held
bleibt den Kämpfen fern. Der Schwache
ist in die Feuerzonen gerückt.
Die Uniform des Tages ist die Geduld,
die Auszeichnung der armselige Stern
der Hoffnung über dem Herzen.

 

Er wird verliehen,
wenn nichts mehr geschieht,
wenn das Trommelfeuer verstummt,
wenn der Feind unsichtbar geworden ist
und der Schatten ewiger Rüstung
den Himmel bedeckt.

 

Er wird verliehen
für die Flucht von den Fahnen,
für die Tapferkeit vor dem Freund,
für den Verrat unwürdiger Geheimnisse
und die Nichtachtung
jeglichen Befehls.

 

Diese beiden Dokus eine amerikanischen Senders ("PBS" - ich hab recherchiert: er hat einen guten Ruf - aber man merkt es ohnehin an der Qualität) sind grundlegend. Und ich muss sagen: Putin´s Weg und die Art und Weise, wie er Russland zugerichtet hat, haben eine unerbittliche Konsequenz.

Etwas für gute Nerven.

Teil 1

Teil 2


Meditation zu Russland und Ukraine März 2022

Und nun ist es doch geschehen.
Dass eine Ordnung zerbricht, die gestrickt war aus Plänen, Abmachungen, Geschäften.
Ja, auch aus guten Absichten.
Wir dachten, das Vernünftige und der Erfolg und der gegenseitige Nutzen, all die Geschäfte und der Gewinn würden den Lauf der Welt bestimmen.
Wir haben all das überschätzt.

Dieses Einmaleins dieser Welt: Taktik, Plan und Vorsicht und Eigennutz
und die Idee, dass wir alle etwas davon haben, wenn wir unsere Interessen verfolgen.
Der eine will Gas, der andere Geld. Und alles ist sicher.

Das nennen wir dann rational - die Klugheit dieser Welt.
Berechnungen führen zum Ziel.
Mehr braucht es nicht.
Denn ist das nicht, was man intelligent nennt?
Einen Plan haben - ja,

„Ja, mach nur einen Plan!
Sei nur ein großes Licht!
Und mach dann noch’nen zweiten Plan
Gehn tun sie beide nicht."

Unsere Weltklugheit stimmt nicht mehr.

Wie schrieb Goethe? Auch über uns Zuschauer!

„Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus.“

Der Krieg ist wieder in Europa.
Da kommen welche mit einem anderen Plan, der weit zurück geht:
ein Plan von Größe und Stolz
und Dschingderassabumm für´s eig´ne große Reich.
Größe, Stolz, Pracht und Soldaten, die sich dafür opfern.
Dafür gibt es dann Denkmäler und Orden.

… doch es sitzen Menschen in Kellern,
in U-Bahn-Schächten werden Kinder geboren,
Familien wollen an die Grenzen,
Väter werden einbehalten
und man drückt ihnen Gewehre in Hände, die dieses Geschäft nicht kennen.
Furchtbare Waffen tauchen auf … - man hatte schon in Syrien mit ihnen geübt.

Und dann bricht etwas zusammen, was wir für ewig-haltbar hielten.
Wir, die wir eigentlich nur kurze Zeitspannen bedenken (bis zur nächsten Vorstandssitzung)
und lange brauchen,
um auf den Gedanken zu kommen,
dass Leben mehr ist als Berechnung und Erwerb,
mehr ist als Erfolg und lauter Spaß,
sondern eben auch Hingabe und Trauer,
Schmerz und Mitgefühl,
Demut, Achtung und Solidarität.

Was wir bedenkenlos für sicher hielten, wankt.
Und so stehen wir da mit unserer Unsicherheit,
wir geben unsere Ratlosigkeit zu,
schieben sie nicht beiseite und halten sie aus.
Wir brauchen Geistesgegenwart und die Kraft, sie auszuhalten.

Wir entdecken neu, wie verletzlich wir doch sind:
Kreaturen, Mitmensch, Fleisch und Blut -
Brüder und Schwestern - wie die, die jetzt beschossen werden,
bedürftig wie die Kinder, die ihre Väter weggehen sehen,
wir sind ihnen ähnlich, weil wir mit ihnen fühlen:
die sich die Ohren zu halten,
wenn die Missiles sausen, die Sirenen heulen, die Granaten einschlagen und die Menschen schreien.

Gewalten werden freigesetzt,
gut sind die Menschen in Explosionstechniken,
doch weich sind die Leiber, die daran sterben,
und lange bis zum Schluss verletzt die Seelen, die es überleben.

So bitten wir für die Völker:
die tapferen und mutigen Russen, die auf die Straße gehen,
die Mütter, die sich erinnern, wie es damals war, als so viele ihrer Kinder in Afghanistan gestorben sind.

Und wir bitten für die bösen Jungs - es sind ja fast immer Männer.
Typen, deren Seelen besetzt sind von Ideen und Überzeugungen, die über Leichen gehen.
Sie werden büßen dafür: dann, wenn die Wahrheit vor Dir, Gott, herauskommt.

Ach, wir sind ratlos.
Das Unvorstellbare wurde denkbar,
und das Denkbare wurde Realität.

Wir wünschen und bitten, dass etwas anderes Realität wird,
und das erbitten wir im Vaterunser …

Die Welt im richtigen Maßstab.

Karte von Hajime Narukawa.

 

Auf keiner anderen sind die Kontinente so genau in ihren realen Dimensionen eingezeichnet. Afrika ist darauf um einiges größer als auf herkömmlichen Karten, eine gigantische Landmasse. Die Europäische Union schrumpft zum Klecks. Die Perspektive wird Sie irritieren, aber Sie sollten sich daran gewöhnen. Gerade jetzt, da sich Macht- und Größenordnungen auf der Welt verschieben. Auch zwischen Europa und seinem Nachbarkontinent.

14. Februar

Bei aller neuerlichen Beteuerung US-amerikanischer Bündnistreue als „heilige Verpflichtung“ gilt somit weiterhin: „Trump war kein historischer Unfall, er war eine vulgäre Verkörperung einer außenpolitischen Neuorientierung, die die Weltmacht unter seinem Nachfolger fortsetzt.[17] Das bedeutet, dass EU-Europa sich unabhängig vom Ausgang von US-Wahlen in absehbarer Zeit konventionell selbst verteidigen können muss. Angesichts der begrenzten wirtschaftlichen Stärke Russlands sollte dies auch möglich sein – vorausgesetzt die Europäer finden zu einer effizienten Zusammenarbeit, die Duplizierungen und die entsprechenden Kosten vermeidet.

...  Einerseits sind die USA auf absehbare Zeit technologisch und militärisch führend, andererseits ist das Land zutiefst gespalten und in fundamentale innenpolitische Konflikte verstrickt. Das schafft Unsicherheit, auch für Europa. Eine eigenständige europäische Außen- und Verteidigungspolitik ist daher notwendiger denn je. Sie bedarf aber einer hinreichenden technologischen Basis. Gerade hier gibt es jedoch die allergrößten Fragezeichen.

Blätter

5. Februar

Aus einem sehr, sehr guten Essay von Heinz Bude:

"... im Grunde klar, dass Klimakrise der falsche Begriff für die Menschheitsfrage des 21. Jahrhunderts ist. Wir befinden uns in einem Klimawandel, den der Mensch als tragische geologische Macht zu verantworten hat. Die Einzelnen haben das in ihren vielen kleinen Konsumentscheidungen weder gewollt noch übersehen, aber die Welt ist für alle ein Konglomerat irreversibler Prozesse geworden, die das Steigen der mittleren Erderwärmung mit der Folge eines Anstiegs des Meeresspiegels, des Aufkommens von Extremwetterlagen und der Umsortierung von klimatischen Regionen unweigerlich nach sich ziehen werden. Diese Prozesse kann man umlenken, verlangsamen oder zerstreuen, aber nicht aufhalten. Philosophisch gestimmte Geister ziehen daraus die Konsequenz, dass die Erde für den Menschen nicht geschaffen ist.

Dass Menschen aus solch unangenehmen Einsichten irre Konsequenzen ziehen, zeigen die merkwürdigen Querallianzen bei den Corona-Leugnern und Impfgegnern. Dahinter stehen panische Verlustängste, die eben nicht nur materielle Güter und soziale Positionen, sondern vor allem ideelle Orientierungen betreffen. Man darf nicht vergessen, dass wir es heute mit einer Inversion der Angstrichtung zu tun haben. Lag für die Generationen der Weltkriegsteilnehmer und der Kriegskinder das Schlimmste, was einem passieren kann, hinter ihnen, so kommt für die Generationen von 9/11, von Fukushima und der Pandemie das Schlimmste noch auf sie zu."

sz

30. Januar

"In welchem Sinn besitzt der Mensch die Macht üer die Natur? Betrachten wir drei typisch Beispiele: das Flugzeug, den Rundfunk und die Verhütungsmittel ... Was wir die Macht des Menschen nennen, ist in Wirklichkeit Macht in den Händen einzelner , die anderen gestatten oder nicht gestatten, davon zu profitieren. ... als eine von wenigen über andere ausgeübte Macht."

C.S. Lewis, Die Abschaffung des Menschen, 1943

28. Januar

"... was der Sinn sei, der alles Handeln erst vom Verhalten unterscheidet."

Volker Ladenthin

Seitdem die Ökonomen das Regiment übernommen haben, verschärft ich die Frage, was der Mensch sei.

Etwa Mittel zum Zwecke des Wachstums?

24. Januar

"Problemlösungskompetenz" - das Leben wird zum Problem, das man ohne Sachkenntnis lösen kann. KI genügt.

...

Jede Software bietet "Lösungen" - für welches Problem denn?

Wo keins ist, findet man eins. Wie beim Konsum: wo kein Bedürfnis ist, muss man es wecken.

16. Januar

"Die richtige Abwehr gegen falsche Gefühle besteht in der Vermittlung echter. Wenn wir das Empfindungsvermögen unserer Schüler verkümmern lassen, machen wir sie zu einer um so leichteren Beute für Propagandisten. Denn die ausgehungerte Natur rächt sich, und ein hartes Herz ist kein unfehlbarer Schutz vor einem weichem Hirn."

C.S. Lewis

15. Januar

 

Text von Max Horkheimer von 1934: „Der Wolkenkratzer“.

Er beschreibt den Gesellschaftsbau der Gegenwart. Auf der obersten Etage befinden sich da die Reichen und Mächtigen, dann geht es hinunter über alle Etagen bis in die untersten, „in denen millionenweise die Kulis der Erde krepieren“. Und noch darunter, noch unterhalb des menschlichen Gesellschaftsbaus,
 „wäre dann das unbeschreibliche, unausdenkliche Leiden der Tiere, die Tierhölle in der menschlichen Gesellschaft darzustellen, der Schweiß, das Blut, die Verzweiflung der Tiere.“ Und weiter: „Dieses Haus, dessen Keller ein Schlachthof und dessen Dach eine Kathedrale ist, gewährt in der Tat aus den Fenstern der oberen Stockwerke eine schöne Aussicht auf den gestirnten Himmel.“

5. Januar 2022

"Aber die neuen atomisierten Massen des Weltreiches ... konnten auch anders auf die Situation reagieren, derer sie sich ausgesetzt fanden: einer Situation, in der der Teil (der Einzelne) bedeutungslos für das Ganze ist und das Ganze dem Einzelnen fremd. ... Das Gesetz des Imperiums, unter dem man sich fand, war die Verfügung einer äußeren Gewalt ..."

Hans Jonas über die geistige Situation im Römischen Reich, geschrieben in den 1950er Jahren.

"Das Bild des Menschen, das wir für wahr halten, wir selbst ein Faktor unseres Lebens.

Es entscheidet über die Weisen unseres Umgaangs mit uns selbst und mit den Mitenschen,

über Lebensstimmung und Wahl der Aufgaben."

Karl Jaspers